Sexualität: Bisexuell sein kann verschiedene Ausprägungen haben
Liebesleben
4 min | Veröffentlicht am: 15.05.2019
Sind Frauen gleich bisexuell, wenn sie eine sexuelle Erfahrung mit einer Frau gesammelt haben, ansonsten aber nur mit Männern zusammen sind? Sind mit Frauen verheiratete Männer bisexuell, wenn sie sich Sex mit einem Mann zumindest schon mal vorgestellt haben? Bisexualität lässt sich nur schwer in ein bestehendes Raster einordnen. Konzepte wie Hetero- oder Homosexualität sind da klarer definiert.
Per Definition bedeutet Bisexualität (oder auch Ambisexualität), sich zu Menschen beider Geschlechter hingezogen zu fühlen – sowohl auf einer sexuellen als auch einer emotionalen Ebene. „Bi“ heißt „zwei“ oder „doppelt“ und ist die geläufige Abkürzung beziehungsweise das gebräuchliche Adjektiv für bisexuell. Wie genau Bisexualität ausgeprägt ist und ab welchem Punkt man von Bisexualität sprechen kann, ist aber nicht eindeutig festgelegt.
Sexualität: Ab wann ist man bisexuell?
Der US-amerikanische Sexualforscher Alfred Charles Kinsey hat bereits im Jahr 1948 eine interessante Studie zum Thema Bisexualität durchgeführt. Auf einer Skala von Null bis Sechs sollten sich Menschen selber einschätzen. Null steht für heterosexuell und Sechs für homosexuell. Alle Zahlen dazwischen bedeuten Bisexualität. Diese breitgefächerte Skala von Bisexualität macht deutlich, dass sie sich nicht klar definieren lässt und verschieden stark ausgeprägt sein kann. Im Unterschied zu Hetero- und Homosexualität ist sie weniger exakt abgegrenzt.
Kinseys Studie ergab außerdem, dass 90 bis 95 Prozent der heterosexuellen Bevölkerung einen gewissen Grad an Bisexualität in sich trägt. Sie alle haben schon mal sexuelle Fantasien mit einer gleichgeschlechtlichen Person gehabt oder haben sich zu einer gleichgeschlechtlichen Person hingezogen gefühlt, mit ihr geknutscht oder Sex gehabt.
Eine andere Studie hat ergeben, dass sich nur 4,5 Prozent der Frauen und 3,4 Prozent der Männer als bisexuell bezeichnen würden. Hier könnte das Schubladendenken das Ergebnis verzerrt haben, schließlich definiert sich nicht jeder, der schon mal an Sex mit einem anderen als dem bisher bevorzugten Geschlecht gedacht hat, als bisexuell.
Bisexuelle passen in keine Schublade und werden dadurch weniger akzeptiert
Bisexuelle werden sowohl unter Heteros als auch in der Schwulen- und Lesben-Community häufig nicht ganz ernst genommen. Sie können sich nicht entscheiden heißt es. Ihre sexuelle Orientierung gilt als unentschlossen und als wissen sie bloß noch nicht, worauf sie wirklich stehen. Nach ein wenig Herumprobieren würden sie sich dann eines Tages dafür entscheiden, ob sie hetero- oder homosexuell leben wollen – so die häufig geteilte gesellschaftliche Ansicht. Auch in Hetero-Kreisen haben Bisexuelle es schwer. Ist eine Frau mit einer Frau zusammen, gilt sie als homosexuell. Ist sie anschließend mit einem Mann zusammen, gilt sie als heterosexuell.
Menschen neigen dazu, andere Menschen und ihr Verhalten in Schubladen zu stecken. Dinge klar benennen zu können, macht es einfacher, sie zu verstehen. Für Bisexuelle ist das herausfordernd, da sie sich oft nicht verstanden fühlen. Studien haben sogar gezeigt, dass Bisexuelle stärker unter psychischen Problemen leiden als Hetero- oder Homosexuelle. Diese sind klar verordnet und die Gesellschaft kann mit beiden Begriffen und Ausprägungen davon etwas anfangen. Bei Bisexualität verschwimmen die Grenzen.
Der Umgang mit Bisexualität ist verschieden
Nicht alle Bisexuellen leben ihre sexuelle Orientierung auch tatsächlich aus. Viele wissen um ihre Fantasien, haben aber kein dringendes Bedürfnis ihnen tatsächlich nachzugehen. Es ist für sie wie ein Seitensprung im Kopf, der nie zur Realität wird – was für sie völlig in Ordnung ist. Andere wiederum probieren sich aus und leben ihre sexuelle Orientierung in Phasen. Sie führen eine Beziehung mit Männern, anschließend wieder mit Frauen, sind dabei aber monogam und sprechen häufig nicht mal über ihre Bisexualität. Für ihren Partner sind sie entweder heterosexuell oder homosexuell.
Menschen, die erst in späten Jahren ihre Vorliebe für das bisher unbeachtete Geschlecht entdecken, stürzen nicht selten in eine Identitätskrise. Sie wissen nicht mehr wer sie sind und sehen ihr Selbstbild wanken. Besonders wer in einer Partnerschaft oder Familie lebt, leidet unter Schuldgefühlen und sorgt sich um sein Rollenbild sowie die Verantwortung, die daraus erwächst. Die Liebe zu einer anderen Person als dem eigenen Partner kann schon kompliziert genug sein – hat dieser auch noch ein anderes Geschlecht als alle bisherigen Partner, ist das Gefühlchaos vorprogrammiert.
Mit diesen 3 Vorurteilen sehen sich bisexuelle Menschen häufig konfrontiert
1. TreuePartner bisexueller Menschen haben häufig die Sorge, ob diese auch treu sind. Schließlich wählen sie aus einem deutlich größeren Topf ihre Partner aus als Menschen, die nur auf ein Geschlecht stehen. Bisexualität und Treue müssen aber nichts miteinander zu tun haben, schließlich ist Treue eher eine Charakterfrage oder eine Frage der Qualität der Beziehung als der sexuellen Orientierung.
2. Sexuelles VerlangenBisexuelle wollen und können immer! Dieses Vorurteil ist Quatsch, wie eine Studie aus dem Jahr 2007 mit 200.000 Teilnehmern zeigt, die sich selber als bisexuell bezeichnen. Ihr Sexualtrieb ist nicht höher ausgeprägt als bei hetero- oder homosexuellen Menschen.
3. Gleiches Interesse an Männern und FrauenWeil jemand bisexuell ist, muss er sich nicht gleichermaßen zu Männern und Frauen hingezogen fühlen. So haben Forscher herausgefunden, dass manche Bisexuelle stärker zum selben und manche stärker zum anderen Geschlecht tendieren.
Erweiterte Konzepte der Bisexualität
Bisexualität ist in der Gesellschaft immer noch zu wenig akzeptiert und mit vielen Vorurteilen belastet. Dabei handelt es sich – aus einer freigeistlichen Perspektive betrachtet – nur um Menschen, die andere Menschen lieben. Konzepte wie Pansexualität oder Omnisexualität erweitern das Konzept der Bisexualität noch. Menschen dieser sexuellen Orientierung treffen bei ihrer sexuellen Vorliebe keine Vorauswahl nach Geschlecht und beziehen auch Menschen des dritten Geschlechts mit ein.