Essstörungen: Symptome, Gründe und Therapiemöglichkeiten

Essstörungen: Symptome, Gründe und Therapiemöglichkeiten
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Inhaltsverzeichnis

Die Gedanken kreisen nur noch um das Thema Essen, Mahlzeiten in Gesellschaft lösen Stressgefühle aus und der eigene Körper steht unter ständiger Beobachtung. Wem das bekannt vorkommt, der leidet möglicherweise unter einer Essstörung. Eine Essstörung ist dadurch definiert, dass die eigenen Gedanken und Gefühle permanent das Thema Essen beinhalten.

Eine Essstörung ist eine Verhaltensstörung und geht häufig mit einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper einher. Der Körper wird als zu dick wahrgenommen oder komplett abgelehnt, es wird heimlich gegessen oder die Nahrungsaufnahme komplett verweigert.

Wen betreffen Essstörungen?

Besonders Mädchen und Frauen sind häufig von Essstörungen betroffen – über eine halbe Million sind es in Deutschland. Schätzungsweise 14 von 1.000 Frauen leiden unter einer Essstörung. Bei den Männern sind es etwa 5 von 1.000. Die Pubertät beziehungsweise der Übergang zum Erwachsenwerden ist die Phase im Leben, in der oft Essstörungen auftreten.

Essstörungen sind für Außenstehende nicht immer leicht zu erkennen und auch die Betroffenen realisieren oft lange nicht, dass sie an einer Essstörung leiden. Grundsätzlich können Essstörungen jeden treffen und sind dabei auch nicht zwingend an ein Alter gekoppelt, obwohl es eben eine Häufung bei Frauen im jungen Erwachsenenalter gibt.

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Drei Erkrankungen in Form von Essstörungen treten besonders häufig auf. Dazu zählen:

  • Magersucht (Anorexia nervosa – auch Anorexie genannt) = Reduzierung der Nahrungsaufnahme auf ein Minimum, um möglichst dünn zu sein. Der eigene Körper wird dabei oft immer noch als zu dick empfunden, selbst bei starkem Untergewicht (Körperschemastörung)
  • Bulimie (Bulimia nervosa) = Ess-Brech-Sucht, bei der sich Heißhungerattacken und erzwungenes Erbrechen abwechseln
  • Binge-Eating-Störung (BES) = suchtartige Essattacken, bei denen das Herbeiführen von Erbrechen ausbleibt

Weitere Essstörungen, die aber deutlich seltener vorkommen, sind:

  • Pica-Syndrom = das Essen ungewöhnlicher Dinge wie Papier, Erde, Kreide oder Kot – betrifft meist Menschen mit Entwicklungsstörungen, geistiger Behinderung oder Demenz
  • Orthorexia nervosa = eine krankhaft gesunde Ernährung, bei der es nur noch um das Ausrechnen von Nährwerten geht, immer mehr Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen werden und dadurch eine Mangelernährung auftreten kann
  • Anorexia athletica = Sport-Sucht mit einhergehendem krankhaften Essverhalten, die aber nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist

Welche Ursachen für Essstörungen gibt es?

Essstörungen zu diagnostizieren ist schwer. Nicht jede Diät, die jemand macht, bedeutet gleichzeitig ein gestörtes Essverhalten. Da die Betroffenen ihr Verhalten kaschieren, fällt es selbst dem engsten Umfeld oft lange nicht auf. Essstörungen liegen meist komplexe psychologische Muster zugrunde, die ganz verschiedene Ursachen haben können.

1. Biologische Ursachen

Auf biologischer Ebene können Hormonstörungen, Hirnfunktionsstörungen und eine genetische Veranlagung Essstörungen bedingen.

2. Familiäre Ursachen

Häufig sind Essstörungen familiär begründet. Mögliche Ursachen sind:

  • die Unterdrückung negativer Gefühle
  • das Fehlen positiver Vorbilder im Hinblick auf den Körper und das Essverhalten
  • psychische Erkrankungen oder Essstörungen eines Elternteils
  • übermäßige Kontrolle durch die Eltern und andere problematische Ablösungsprozesse
  • fehlende Aufmerksamkeit durch die Eltern
  • das Aufbürden von zu viel Verantwortung

3. Gesellschaftliche Ursachen

  • Mobbing, negative Kommentare unter Gleichaltrigen
  • Eifern nach vermeintlichen Schönheitsidealen, die durch Medien verbreitet werden
  • Thematisierung von Essen, Aussehen, Körper und Gewicht unter Gleichaltrigen

4. Individuelle Ursachen

  • Bedürfnis nach Kontrolle
  • mangelndes Selbstwertgefühl
  • Perfektionismus und Leistungsanspruch
  • kaum vorhandene Konfliktfähigkeit
  • traumatische Erlebnisse (z.B. sexueller Missbrauch)
  • fehlende Mechanismen zur Bewältigung von Stress
  • Übergewicht oder Probleme beim Füttern in der Kindheit

Dies sind längst nicht alle Ursachen für eine Essstörung. Häufig gibt es auch nicht nur den einen Grund, sondern ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren.

Wie wird eine Essstörung diagnostiziert?

Über Fragebögen, die persönliche Befragung von Patienten und Gewichtsmessungen erfolgt eine Diagnose der Essstörung. Die Behandlung wird dann je nach Krankheitsbild und Ausprägung gewählt. Essstörungen können auch ineinander übergehen. 20 Prozent der Magersüchtigen beispielsweise entwickeln auch eine Bulimie und bei 25 Prozent der Magersüchtigen wird die Anorexie chronisch.

Binge Eating verläuft bei vielen Betroffenen in Phasen und muss nicht dauerhaft auftreten. Konkrete Auslöser sind dann zum Beispiel besonders stressige Phasen oder Schicksalsschläge, nach denen die Symptomatik aber auch wieder zurückgeht. Therapien können diese Symptomatik deutlich verbessern.

Wie können Essstörungen behandelt werden?

Meist kommen mehrere Elemente zum Einsatz. Eine Psychotherapie bildet in der Regel das Zentrum der Behandlung und kann um eine Familientherapie, Ernährungsprotokolle, Ernährungsberatung, eine Beratung der Eltern und durch Antidepressiva ergänzt werden.

Selbsthilfegruppen leisten einen wichtigen Beitrag für Betroffene, um zu verstehen, dass sie mit ihrer Störung nicht alleine sind. Sich gegenseitig Kraft zu geben und neue Einstellungen und Werte zu vermitteln, sind zentrale Elemente, um neue Verhaltensweisen und Mechanismen zu erlernen und zu festigen.

Bei besonders heftigen Fällen kann auch eine stationäre Behandlung nötig sein. Dies trifft meist Patienten mit Magersucht, die ein lebensbedrohliches Untergewicht erreicht haben. Auch Patienten, bei denen körperliche Folgeschäden zu erwarten sind, die durch häufiges Erbrechen oder Dehydrierung ausgelöst wurden, werden stationär aufgenommen.

Die Behandlung der Essstörung geschieht oft erst zu einem späten Zeitpunkt

Wer unter einer Essstörung leidet, kommt in der Regel ohne eine Therapie nicht aus, die die Gründe dahinter versucht aufzuarbeiten. Dabei findet eine Behandlung der Essstörung meist erst statt, wenn der Körper bereits einen gesundheitsgefährdenden Zustand erreicht hat:

  • Bei Magersucht können dies extremes Untergewicht und eine Unterversorgung des Körpers mit wichtigen Nährstoffen sein. Langfristig können Osteoporose und Unfruchtbarkeit die Folge sein.
  • Bei Bulimie treten häufig Entzündungen der Speiseröhre, Schäden der Zähne sowie ein geschädigtes Herz durch den gestörten Elektrolyte-Haushalt auf.
  • Die Binge-Eating-Störung kann mit Fettleibigkeit (Adipositas) einhergehen, die sich ebenfalls ungesund auf die Organe auswirken kann.

Viele Essgestörte achten über lange Zeiträume darauf, dass ihr gestörtes Essverhalten nicht auffällt. Heißhungerattacken – auch Essanfälle genannt – werden alleine gestillt, das Erbrechen wird verschleiert und Untergewicht wird mit dicker Kleidung versucht zu überdecken. Je nach familiärem Konstrukt kann es zudem dauern, bis die Eltern von Jugendlichen das gestörte Verhalten ihrer Kinder überhaupt wahrhaben wollen.

Viele Essgestörte erkennen ihre eigene Störung oft lange nicht beziehungsweise scheuen eine Behandlung. Die Betroffenen verweigern meist eine Behandlung. Sie haben Angst vor dem Entzug der eigenen Kontrolle über ihr Essverhalten, Angst vor Gewichtszunahme und viele weitere ambivalente Gefühle. Bis eine Akzeptanz der Krankheit und der Behandlung eintritt, dauert es oft lange.

Welche Fragen sollten sich Angehörige von Essgestörten stellen?

Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für ihre Familien ist eine Essstörung sehr belastend. Viele konkrete Sorgen beschäftigen Angehörige:

  • Welche gesundheitlichen Folgeschäden drohen?
  • Besteht vielleicht sogar Lebensgefahr?
  • Wieso habe ich nicht schon früher etwas bemerkt?
  • Wie hätte ich schon früher helfen können?
  • Was habe ich falsch gemacht, dass es soweit kommen konnte?
  • Wie geht es weiter?

Nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihr direktes Umfeld kann sich in Behandlung begeben, wenn es in der Familie einen Fall von Essstörung gibt. Eine Beratung hilft allen Parteien, mit der Krankheit besser umzugehen und den Betroffenen auf dem langen Weg der Behandlung zu unterstützen.

Essstörungen frühzeitig erkennen

Um Essstörungen frühzeitig zu erkennen, ist ein bewusster Blick auf das eigene Kind, den Schützling, den Partner oder sich selbst nötig. Dies könnten Warnzeichen sein, die auf eine mögliche Essstörung hinweisen:

  • trotz strenger Diät wird ein Hungergefühl geleugnet
  • die Verweigerung von Essen in Gesellschaft oder das Essen von Mikro-Portionen, um nicht aufzufallen
  • Essen wird in die Serviette oder Handtasche gepackt und „verschwindet“ auf diese Weise
  • eine übertriebene Zerkleinerung des Essens oder ein auffällig langes Kauen könnten Rituale sein, die für eine Essstörung sprechen
  • Trotz des Verlusts von Gewicht oder sogar Untergewicht besteht das Gefühl, zu dick zu sein und Übergewicht zu haben
  • übersteigertes Sportbedürfnis, selbst bei Krankheit oder Verletzung
  • zwanghaftes Verhalten wie zum Beispiel die Einteilung von Lebensmitteln in gut und schlecht
  • längere Badezimmeraufenthalte nach jedem Essen
  • Heißhungeranfälle
  • heimliches Essen
  • das Stehlen von Lebensmitteln

Auch bei diesen Warnzeichen ist es meist nicht nur eines, das auftritt, sondern mehrere im Zusammenspiel. Dennoch fällt es häufig schwer, sie direkt einer Essstörung zuzuordnen. Auch die bloße Optik des Essgestörten sagt nicht unbedingt etwas über seinen Gesundheitszustand aus.

Bulimie-Kranke halten häufig über lange Zeit ein normales Gewicht, weshalb sie zumindest optisch im Gegesatz zu untergewichtigen Magersüchtigen weniger auffallen. Selbst leichte Gewichtszunahmen im Rahmen der Binge-Eating-Störung werden auch nicht immer gleich als krankhaft angesehen.

Fazit zur Essstörung

Essstörungen bedeuten ein gestörtes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme und eine extreme Beschäftigung mit dem Körper. Die häufigsten Formen von Essstörungen sind Magersucht, Bulimie und die Binge-Eating-Störung. Meist wird eine Essstörung erst dann diagnostiziert, wenn der Betroffene bereits bedrohliche körperliche Symptome zeigt. Nährstoffmangel, Untergewicht oder Herzprobleme können die Folge sein. Stationäre Klinikaufenthalte sind bei besonders extremen Krankheitsverläufen nötig, die übliche Behandlung ist eine Psychotherapie in Kombination mit weiteren Ansätzen.

Die Ursachen für eine Essstörung können biologischer, gesellschaftlicher, familiärer oder individueller Natur sein – meist ist es ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, das dazu führt. Besonders häufig betroffen sind Mädchen und Frauen. Das Alter in dem die meisten Essstörungen auftreten sind die Pubertät und das junge Erwachsenenalter.

Die Warnzeichen einer Essstörung können sowohl bei sich selber als auch bei Außenstehenden erkannt werden, jedoch versuchen Essgestörte alles, um ihr Verhalten zu verschleiern. Auch sich selbst gegenüber gestehen viele ihr Problem lange Zeit nicht ein. Zudem verweigern sie sich häufig lange einer Therapie, was den Umgang mit dieser Art Erkrankungen für Betroffene und Angehörige sehr schwer macht.